Ein Kapitel „Nele“

Cover 'Nele' con Tine Sprandel

1. Kapitel – zweiter Teil

„Kannst du nicht mal leise durch den Flur gehen?“ Mila Mütze krächzte aus ihrem Zimmer. Ihr Bruder Ben klopfte an ihre Tür und öffnete sie, ohne die Antwort abzuwarten.
„Schlaf weiter, Schwesterchen, und träum schön!“
Sie brummelte etwas in ihr Kissen und Ben lehnte die Tür an. An diesem frühen Morgen konnte ihn nichts aufregen. Mila nicht und die schlechte Nacht auch nicht. Sonderbar. Er hatte nichts erreicht. Erst traf er nur auf Alarmanlagen, die er noch nicht kannte, dann diese Frau. Und trotzdem fühlte er sich gut.
Ben stellte seine Tasche auf den Küchentisch und Resi huschte heraus. Sie sprang auf den Boden und suchte sofort den Wassernapf. Der war noch leer, Resi stupste die Metallschüssel an, sodass sie scheppernd über die Fliesen kullerte.

Schnell schloss Ben auch die Küchentür und füllte Wasser hinein. Nachts während seiner Streifzüge bekam Resi ihr Futter. So hatte Ben sie an ihre Aufgaben gewöhnen können. Wenn sie nach Hause kamen, bekam sie erst mal nur Wasser. Das war der feste Ablauf. Er kraulte Resi, die sich das kurz gefallen ließ und dann erwartungsvoll zur Küchentür lief. Er öffnete sie und ließ Resi hinaus. Sie wollte jetzt zu Mila und in ihrem Zimmer auf dem Teppich schlafen. An diese Rituale musste er sich halten, wenn er die Launen seiner Schwester nicht zusätzlich herausfordern wollte.
Ben nahm sich ein Bier aus dem Kühlschrank und ließ sich auf einen Stuhl fallen. Die Silhouette der Frau haftete wie ein Schattenriss vor seinem inneren Auge. Diese Beine! Perfekt geformt, wie bei einer griechischen Statue. Das Gesicht hatte er kaum gesehen. Sie war wütend gewesen. Herrlich wütend. Eine zerbrechliche Frau, die er zu Tode erschreckt hatte. So was darf man nicht, schalt er sich. Aber sein Beruf brachte zuweilen persönliche Unannehmlichkeiten mit sich.
Ein Banker ist auch nicht immer nett zu seinen Mitmenschen. Er verweigert Kredite, er drängt Menschen an den Abgrund, indem er Konten sperrt, indem er Träume in der Luft zerreißt. Da litten die „Kunden“ viel weniger, denen er ein bisschen Schmuck und Bargeld abnahm.
Gauner gab es genug auf der Welt. Ben kratzte sich am Kopf.
Mila trat kurz darauf in die Küche. „Du hast es mal wieder geschafft und mich geweckt.“
„Ich wünsche dir auch einen guten Morgen.“
Sie trug Resi auf dem Arm und vergrub ihre Nase im Fell. „Hat er dich als Tarnung benutzt? Und war er erfolgreich?“
Resi wand sich aus der Umarmung und glitt zu Boden, zu ihrem Futternapf.
Ben lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und legte den Kopf in den Nacken. „Was heißt schon Erfolg?“
„Oh, hast du heute deinen philosophischen Tag? Red dich nicht raus. Du hast nichts.“
„Das kann man so nicht sagen. Ich habe eine Nacht durchlebt.“
Mila öffnete die Kaffeedose und schloss sie wieder. „Wir sind pleite und der Kaffee ist aus und du durchlebst die Nacht. Wie heißt sie?“
„Nicht das, was du denkst.“
„Lüg mich nicht an!“ Von Null auf Hundert konnte Mila in Rage geraten. Nur wegen einer leeren Kaffeedose!
„Hast du nun Kohle mitgebracht oder nicht?“
Ben erhob sich. „Ich geh Kaffee holen.“
Kaffee holen war ja nun die leichteste Übung. Aber Mila hatte schon recht. Er hatte nichts mitgebracht. Und sie waren pleite und seine kleine Schwester brauchte Geld. Sie sollte einkaufen gehen und nicht „etwas holen“. Das wollte er auf keinen Fall. Es reichte schon, wenn er sich am Rande des Gefängnisses bewegte.
„So löst du das Problem nicht“, keifte Mila, noch bevor er die Küchentür erreichte. „Ich will studieren und ein normales Leben führen, mit meinen Freundinnen shoppen gehen.“
„Hast du schon mal überlegt, dass du auch für Geld arbeiten gehen kannst?“ Ben blieb in der Tür stehen. Sie hatte es geschafft, er regte sich auf.
Mila erwiderte erstaunt: „ICH?“
Zugegeben, bisher hatte er immer für sie gesorgt. Gerne sogar. Damit sie auf keine dummen Ideen kam. Doch jetzt hatte sie die Schule abgeschlossen und faulenzte den ganzen Tag.
„Ja du. Es gibt genug Frauen in Deutschland, die versorgen nicht nur sich selbst, sondern auch ihre Kinder.“
„Es steckt also doch eine Frau dahinter!“ Mila grinste breit.
„So ein Quatsch.“ Ben schnappte sich die Wohnungsschlüssel und weg war er.

(…)

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