brachland, gleisödland
was ich daran liebe?
die margeritenblüten,
die ihren lebensraum erobern

tine 7-14

2. Kapitel: Fuß fassen

Sigrid musste etwas unternehmen, um in dieser Stadt Fuß zu fassen. Wie alle einsamen Frauen stand ihr der Gang in einen Italienischkurs der Tiroler VHS offen oder Feldenkrais oder Keramik bemalen. Sie könnte sich auch öffentlichen Führungen durch die Geschichte Wörgls anschließen. Nur wo versteckte sich die Historie in Wörgl? Unter den Meilensteinen, die die Stadtverwaltung mangels echter Kulturgüter mit echtem Einfallsreichtum ins Pflaster eingebunden hatte?
Sie verwarf alle Alternativen und ging zum Mittagessen in die Post. Sie hatte sich für Tiroler Gemütlichkeit entschieden.
Sigrid kostete den Salat mit Putenbruststreifen, da betraten ein älteres Paar und ein Mann mittleren Alters den Gastraum. Das Paar kannte sie als Kunden; er wartete treu, bis seine Frau mit viel Hingabe ein Tuch passend zu ihrem Dirndl ausgewählt hatte.
„Ah, die Frau Loden muss sich auch stärken, angenehm.“
Sie setzten sich an den Nebentisch. Und natürlich begannen sie untereinander, über Sigrids Vorgängerin zu reden.
„Hat die Polizei nun schon etwas herausgefunden? Weiß man, wer sie ermordet hat?“
Das war es also.
Sie, Sigrid Haller, „Frau Loden“ mit dem ermordeten Schatten, schob ihren halbgeleerten Teller zur Seite. Sie seufzte so laut, dass der jüngere Mann das Gespräch unterbrach und zu ihr hinüber sah. Dann stand er auf und näherte sich ihrem Tisch.
„Entschuldigung darf ich mich vorstellen? Horst. Ich betreibe das Fitnessstudio gegenüber deiner Boutique.“ Hochgewachsen, schlank, leicht angegraut. Graue, enge Jeans, roter Pullunder, er lachte – mit wohltuender Freundlichkeit in den Augen.
Sigrid nickte. „Sigrid Haller.“ Innerlich machte sie ein Kringel in ihren Kalender. Die Sache hatte auch etwas Gutes: ein Kontakt außerhalb des Ladens.
„Es tut mir leid. Alle reden von Iris, der Frau Häringer und du? Du bist neu hier, hast mit der ganzen unglücklichen Sache nichts zu tun.“ Er sah Sigrid direkt an. „Herzlich willkommen in Wörgl“, nun huschte etwas Röte über seine braungebrannten Wangen.
Sigrid bedankte sich. Die Österreicher und das schnelle „Du“ waren ungewohnt.
Horst setzte sich wieder zu den Anderen. Sie sprachen über zwei Tische hinweg alle miteinander.
Frau Häringer war vor zehn Tagen in dem Laden tot aufgefunden worden, am Boden, die Füße hinter dem Tischchen mit der Kasse. Der Kopf lag zur Ladentür gedreht. Ein Kunde hatte sie gefunden, erfuhr Sigrid.
Zuerst ging man von Raub mit Todesfolge aus. Am nächsten Tag begannen die Gerüchte. Der Raub sei nur fingiert. Der Räuber habe sich nicht viel Mühe gemacht, den Laden zu durchsuchen. Nur ein paar Scheine aus der Kasse fehlten. Alles andere, auch das Wechselgeld in der Schublade in der Teeküche, war liegengeblieben. Da die Tat wohl kurz vor der Mittagspause geschah, konnte man davon ausgehen, dass der Räuber in Ruhe den Laden nach Wertsachen hätte durchsuchen können.
Mehr wussten sie nicht.
„Iris ging immer zum Zeichnen, vielleicht ist ihr da jemand begegnet? Ein Fremder war es gewiss“, meinte der ältere Mann, er stellte sich und seine Frau mit den Worten „Staudinger, Rentner“ vor.
Horst zuckte mit den Schultern.
„Sie ging in eine einsame Berghütte zum Zeichnen.“ Sein Tonfall klang zweideutig. „Aber niemand sah sie je mit einer Staffelei oder einem Skizzenblock!“
„Du musst das wissen“, nuschelte Herr Staudinger.
„Viele malen ohne große Ausstattung“, sagte Sigrid, „Die Berghütte ist doch sicher schwer zu erreichen. Vielleicht hatte sie deswegen nur das leichte Gepäck dabei?“
„Oh ja“, rief Frau Staudinger mit Stolz in der Stimme. „Oh ja. Rüber über den Inn, musst du. Dann geht’s durch Maria Stein, hinter Maria Stein zweigt eine kleine Straße nach rechts. Bergauf kannst du noch fahren. Bis zu den letzten Häusern. Ab dann sind es noch etwa 200 Höhenmeter. Oben bist du ganz allein. Der Ort hat Charme!“
Horst schaute sie verärgert an und sagte schnell zu Sigrid: „Die Hütte ist doch uninteressant. Viel zu einsam für eine junge Fremde in der Stadt.“ Ein abschätziger Unterton schwang in seiner Stimme mit wie eine Drohung: Lass die Finger davon. Ich warne dich.
Geheimnisvoll. Verboten.
Okay, sie war kindisch. Aber es klang verlockend.

(…)

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